Vor mehr als 180 Jahren erkannte Ada Lovelace als erster Mensch, wozu Computer eines Tages in der Lage sein würden — Jahrzehnte bevor es sie überhaupt gab. Ihre Anleitung zur Berechnung von Bernoulli-Zahlen gilt heute als erstes Computer-Programm der Geschichte.
London, im Juni 1833: Die 17-jährige Ada Byron betritt den Salon des Cambridge-Professors Charles Babbage. Regelmäßig veranstaltet der Mathematiker gesellschaftliche Empfänge, zu denen er die kulturelle Elite Londons einlädt.
Ada ist mit ihrer Mutter hier. Sie langweilt sich. Sie ist nicht daran interessiert, möglichen zukünftigen Ehemännern vorgestellt zu werden.
Doch als Babbage von seiner Arbeit zu erzählen beginnt, horcht die naturwissenschaftlich begabte Ada auf: Der Professor arbeitet an einer revolutionären Maschine, die Rechnungen durchführen soll.
Die Begegnung mit Babbage wird ein Schlüsselerlebnis für Ada — und führt dazu, dass sie heute als die erste Programmiererin der Geschichte angesehen wird.
Augusta Ada Byron King, Countess of Lovelace — bekannt als Ada Lovelace — wurde am 10. Dezember 1815 in London geboren. Ihr Vater war der englische Dichter Lord Byron.
Lord Byron war ein skandalbehafteter Star. Seine Ehe mit Anne Isabella Milbanke, einer englischen Adligen, war aufgrund von Byrons zahllosen Affären zerrüttet.
Milbanke verließ Byron mit Ada wenige Wochen nach ihrer Geburt. Ada sollte ihren Vater nie wiedersehen.
Aus Sorge, dass ihre Tochter ihrem exzentrischen, umtriebigen Vater nacheifern könnte, legte Milbanke großen Wert auf eine naturwissenschaftliche Bildung.
Statt Kunst und Literatur stand vornehmlich Mathematik auf Adas Lehrplan — für ein Mädchen aus der Adelsschicht im 19. Jahrhundert äußerst ungewöhnlich, wurden Frauen damals doch meist auf ein Leben als Mutter und Hausfrau vorbereitet.
Früh machte sich Adas besondere Auffassungsgabe und ihr Sinn für Innovation bemerkbar. Lange vor der Erfindung des Flugzeugs träumte sie mit 12 Jahren davon, eine “Flugmaschine” zu bauen.
Mit 17 lernte Ada den Mathematiker und Cambridge-Professor Charles Babbage kennen. Der Professor hatte seine Lebensaufgabe in der Entwicklung der “Analytical Engine”, einer “analytischen Maschine”, gefunden.
Die Analytical Engine war der Entwurf einer komplexen Maschine, die in der Lage sein sollte, Rechnungen durchzuführen. Sie würde aus 55.000 Einzelteilen bestehen, drei Meter groß und länger als ein Eisenbahnwaggon werden. Babbage plante, sie mit einer Dampfmaschine anzutreiben und mit Lochkarten zu steuern.
Ada war von dem bahnbrechendem Entwurf fasziniert. Sie begannen, sich regelmäßig zu den Plänen auszutauschen. Babbage erkannte das Talent der “Zahlenzauberin”, wie er Ada nannte, und förderte sie.
Den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen im 19. Jahrhundert entsprechend, heiratete Ada mit 19 den 30-jährigen William King. Ada — durch ihre Heirat wurde sie zur Countess Lovelace — musste ihre wissenschaftlichen Ambitionen zurückstellen, um sich um die gemeinsamen drei Kinder und den Haushalt zu kümmern.
Doch sie war fest entschlossen, ihren eingeschlagenen Weg fortzuführen. In einem Brief schrieb sie:
“Ich beschäftige mich jeden Tag mit Mathematik. Meine Heirat hat meine Vorliebe für diese Beschäftigung und meine Entschlossenheit, sie fortzusetzen, in keiner Weise gemindert.”
William King unterstützte seine ambitionierte Ehefrau: Er besuchte Bibliotheken und schrieb Texte für Ada ab — denn Frauen war der Zugang zu Bildungseinrichtungen verwehrt.
Nachdem Charles Babbage seine Analytical Engine bei einem Vortrag in Turin vorgestellt hatte, erschien 1842 erstmals ein Artikel über seinen Entwurf in einem wissenschaftlichen Journal.
Ada wurde mit der Übersetzung des Artikels ins Englische betraut — ein willkommener Anlass, ihre eigenen Erläuterungen zur Analytical Engine zu Papier zu bringen:
In acht sogenannten “Notizen” — insgesamt dreimal so lang wie der ursprüngliche Artikel — legte sie ihre Ausführungen zu der Maschine dar.
Darin wurde Adas visionäre Weitsicht deutlich, denn sie erkannte, dass das Potenzial der Maschine weit über das von Babbage angedachte Durchführen von Rechnungen hinausreichte:
“Vorausgesetzt, dass beispielsweise die grundlegenden Beziehungen von Klängen in der Wissenschaft der Harmonie und der musikalischen Komposition für solche Ausdrucksformen und Anpassungen geeignet wären, könnte die Maschine aufwändige Musikstücke von beliebiger Komplexität und Umfang komponieren.“
Eine Maschine, die Musikstücke komponiert — in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine ferne Vision; 180 Jahre später Realität.
In ihren Anmerkungen verfasste Ada zudem eine Anleitung zur Berechnung der Bernoulli-Zahlen, einer Folge rationaler Zahlen. Neben den arithmetischen Rechenbefehlen enthielt die Anleitung die Speicherorte aller Zwischenergebnisse.
Die als Tabelle dargestellte Anleitung gilt heute als das erste Computer-Programm — und Ada Lovelace als die erste Programmiererin.
Ada hatte ihr Leben lang mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Gegen ihre anhaltenden Beschwerden verschrieb ihr ihr Arzt Opium. Sie entwickelte eine Abhängigkeit, die sie charakterlich veränderte. Mit Pferdewetten verspielte sie einen Großteil des Familienvermögens.
Ada Lovelace starb am 27. November 1852 mit 36 Jahren an Gebärmutterkrebs.
Charles Babbages’ Analytical Engine wurde nie fertiggestellt. Lovelace geriet in Vergessenheit. Erst mit Beginn des Computerzeitalters Mitte des 20. Jahrhunderts wurden ihre Aufzeichnungen wiederentdeckt.
Bis bald!
Euer Leo
Die wichtigsten Quellen:
1. Untangling the Tale of Ada Lovelace, Stephen Wolfram
2. Ada Lovelace, Max-Planck-Gesellschaft
3. Ada Lovelace, New York Times
Dies ist die 87. Ausgabe von Zeitsprung.
Ich kannte die Geschichte von Ada Lovelace bereits, da ich den Dichter Lord Byron sehr schätze. Sein Leben war hochspannend, seine Dichtung ist überragend und er ist wie seine Tochter im Alter von 36 Jahren gestorben. Es lohnt sich sehr sich mit ihm zu befassen und ich glaube nicht, dass er einen schlechten Einfluss auf Ada gehabt hätte. Er war ein durch und durch revolutionärer Geist. Liebe Grüße Margita
Spannend! Und deutlich interessanter als Linda Lovelace. ;-)