Witold Pilecki: Freiwillig nach Auschwitz
Der Pole Witold Pilecki gilt als einziger Mensch, der sich freiwillig als Gefangener in das Konzentrationslager Auschwitz bringen ließ. Nach zweieinhalb Jahren Haft gelang ihm 1943 die Flucht. Die umfassenden Pilecki-Berichte über das KZ, das später zum Vernichtungslager ausgebaut wurde, trugen maßgeblich zur Aufklärung des Holocaust bei.
Witold Pilecki wurde am 13. Mai 1901 geboren. Zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls auf Polen im September 1939 war er Reserveoffizier in der polnischen Kavallerie. Nach der Kapitulation der polnischen Truppen Anfang Oktober 1939 und der Besetzung Polens gründete Pilecki mit einigen weiteren Männern die sogenannte polnischen Geheimarmee, eine der ersten Widerstandsgruppen im von der Wehrmacht besetzten Teil Polens.
Zu dieser Zeit begann die systematische Unterdrückung der polnischen Bevölkerung. Ab Mai 1940 wurden die ersten Häftlinge in das kurz zuvor errichtete Konzentrationslager Auschwitz gebracht. Zunächst war Auschwitz noch nicht das Vernichtungslager, zu dem es später ausgebaut wurde, sondern ein Konzentrationslager wie es sie zu diesem Zeitpunkt im Dritten Reich bereits mehrere gab.
Dennoch starben bereits viele Inhaftierte an den Folgen der menschenunwürdigen Haftbedingungen, die von Hunger und schweren Misshandlungen geprägt waren. Die ersten nach außen gelangten Schilderungen aus Auschwitz veranlassten den polnischen Widerstand wenige Monate später, ein Mitglied aus den eigenen Reihen in das Lager einzuschleusen.
Witold Pilecki erklärte sich zu diesem Schritt bereit und wurde somit zum einzigen bekannten Menschen, der freiwillig im Konzentrationslager Auschwitz inhaftiert war: Bei einer Verhaftungswelle durch die SS in Warschau ließ er sich am 19. September 1940 bewusst festnehmen und kam zwei Tage später mit der Häftlingsnummer 4859 in Auschwitz an.
In einem seiner späteren Berichte über das Lager schrieb er über die Ankunft und die ersten Eindrücke: „Unsere ganzen Vorstellungen von einer Welt, einer gewissen Ordnung, einer Rechtsordnung, wurden mit den Füßen getreten. Alles brach in sich zusammen.“
Kurz nach seiner Ankunft begann Pilecki damit, einen Lagerwiderstand aufzubauen: Er bildete Gruppen von jeweils fünf aus seiner Sicht vertrauenswürdigen Mithäftlinge, die wiederum weitere Inhaftierte für den Widerstand rekrutierten. Das Ziel dabei war, die Haftbedingungen durch zusätzliche Medikamente, Kleidung und Lebensmittel zumindest ein wenig erträglicher zu machen und Informationen über das Konzentrationslager nach außen zu tragen.
Mithilfe eines freigelassenen Häftlings erreichte der erste der sogenannten Pilecki-Berichte 1941 die polnische Exilregierung in London. Bei der mündlichen Überlieferung handelt es sich um das erste authentische Zeugnis des Holocaust. Die später schriftlich angefertigten, ausführlichen Pilecki-Berichte trugen maßgeblich zur Aufklärung des Holocaust bei.
Pilecki hoffte dem Vernehmen nach auf eine Befreiung von Auschwitz durch einen Luftangriff der Alliierten oder, alternativ, einen Angriff der polnischen Partisanen, der durch aufständische KZ-Häftlinge unterstützt worden wäre. Dazu sollte es jedoch nie kommen.
Als 1943 die Enttarnung des Widerstandsnetzwerks im Lager drohte, entschloss sich Pilecki, zu fliehen. Nach mehr als zweieinhalbjähriger Haft gelang ihm Ende April 1943 die Flucht aus Auschwitz während einer Arbeitsschicht in einer außerhalb des Lagers gelegenen KZ-Bäckerei.
Anschließend setzte er seine Arbeit im Widerstand fort: 1944 kämpfte er im Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer. Er geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der er im April 1945 von US-Streitkräften befreit wurde.
Den nach Ende des Zweiten Weltkriegs neu entstandenen kommunistischen polnischen Staat lehnte Pilecki ab. Zudem begann er, Informationen zu sowjetischen Kriegsverbrechen zu sammeln. Im Mai 1947 wurde er vom polnischen Geheimdienst festgenommen. Er wurde gefoltert, der Spionage für die westlichen Alliierten bezichtigt und schließlich zum Tode verurteilt. Witold Pilecki wurde am 28. Mai 1948 hingerichtet. Bis heute ist unbekannt, wo er begraben wurde.
Jahrzehntelang wurde seine Geschichte vom kommunistischen Regime geheimgehalten. Erst 1990 wurde er rehabilitiert. 2000 wurden seine Berichte über Auschwitz erstmals veröffentlicht. Das Buch “Der Freiwillige” behandelt das Leben Pileckis, der heute als einer der größten polnischen Helden des 20. Jahrhunderts gilt.
Bis bald,
Leo
Für diesen Text genutzte Quellen:
1. Pilecki-Institut Berlin
2. Witold Pileckis Bericht aus Auschwitz
3. Die Verhaftung des Widerstandskämpfers Witold Pilecki, Deutschlandfunk