Nancy Wake: Von Neuseeland zur französischen Résistance
Nancy Wake verließ ihre Heimat Neuseeland, um in Paris als Journalistin zu arbeiten. Besorgt verfolgte sie den Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs engagierte sie sich im französischen Widerstand. Mit ihrer furchtlosen und charmanten Art wurde sie zur höchstdekorierten weiblichen Militärangehörigen der Alliierten.
Nancy Wake wurde 1912 in Wellington, Neuseeland geboren. Mit 16 Jahren brach sie die Schule ab. Nachdem ihr eine Tante 200 Pfund vererbt hatte - eine Summe, die heute etwa 18.000€ entspricht - beschloss sie, aufzubrechen: Über New York landete Nancy 1932 in London.
Dort absolvierte sie eine Journalistenausbildung, bevor sie 1933 weiter nach Paris zog und als freie Journalistin zu arbeiten begann. Ihr Fokus lag auf politischen und gesellschaftlichen Themen. Besonders intensiv verfolgte sie den Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland.
Auf einer Reise nach Wien erlebte Nancy die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung aus nächster Nähe. Jahrzehnte später schilderte sie das Ereignis, das ihre Verachtung gegenüber Hitler und den Nazis festigte:
“In Wien hatte die SS ein großes Rad auf einem Platz aufgestellt. Juden wurden an das Rad gebunden und immer wieder von den SS-Männern ausgepeitscht. Das war schrecklich. (…) Ich sagte mir: Wenn ich je etwas dagegen tun kann, werde ich es tun.“
(Quelle: ABC News, Australia)
1939 heiratete sie den wohlhabenden Industriellen Henri Fiocca. Das Paar zog nach Marseille und lebte ein luxuriöses Leben, was Nancy jedoch schnell langweilte.
Nachdem der Zweite Weltkrieg begonnen hatte und ab 1940 große Teile Frankreichs durch deutsche Truppen besetzt waren, lernte sie einen britischen Offizier kennen, der einen Kontakt zum französischen Widerstand, der Résistance, herstellte.
Nancy und Henri begannen, das Netzwerk finanziell zu unterstützen. Nancy reichte das jedoch nicht: Sie fing an, für die Résistance als Kurierin Nachrichten zu übermitteln und war am Aufbau der O’Leary-Linie, einer Fluchtroute für abgeschossene britische Piloten und Kriegsgefangene aus Frankreich über Spanien zurück nach Großbritannien, beteiligt.
Dabei begab sich Nancy in immer größere Gefahr. Die Gestapo fahndete nach ihr. Weil sie den deutschen Besatzern jedoch immer wieder entkam, setzten diese ein Kopfgeld in Höhe von 5 Millionen Francs auf die “Weiße Maus“ aus, wie sie Nancy nannten.
Als es zu gefährlich für sie wurde, floh sie 1943 nach Großbritannien. Dort trat Nancy in den von Winston Churchill persönlich gegründeten Geheimdienst “Special Operations Executive“ (SOE) ein, der sie als Agentin ausbildete. Nach einer achtmonatigen Ausbildung sprang sie im April 1944 über Frankreich mit einem Fallschirm ab.
Ihre furchtlose und abenteuerlustige Art kam Nancy als Widerstandskämpferin zugute: Sie koordinierte die Verteilung der Waffen im Widerstand und übernahm die Führung eines Kommandos, das erfolgreich Anschläge gegen die Besatzer verübte. Wie viele andere SOE-Agentinnen auch, war sie sehr attraktiv, wie Michael Jürgs in seiner Biografie über Nancy betont (“Codename Hélène“). Sie wusste ihren Charme gegenüber den Besatzern gezielt einzusetzen:
“Einige von denen sahen ziemlich gut aus und sie waren einsam. Ich ging zu ihnen und habe immer das Gleiche gesagt: “Mein Feuerzeug funktioniert nicht. Können Sie mir Feuer geben?” Und sie gaben mir Feuer. Dann sagte ich: “Sie sind deutsch, oder?” (…) Sie sagten: “Ja. Waren Sie schon mal in Deutschland?” “Ja, ich war in Berlin, aber mochte es nicht besonders.” Dann machte ich ein Treffen für in vier Tagen mit ihnen aus, erschien aber nicht. (…) Das war genau, was ich wollte: Ich wollte einen Deutschen als Bodyguard, weil mich niemand in Begleitung eines Deutschen aufhalten würde.”
(Quelle: RTE Radio 1, Doc on One)
39 Frauen setzte der SOE während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Frankreich ein, elf von ihnen starben. Nancy überlebte. Erst nach Kriegsende fand sie heraus, dass ihr Ehemann, Henri, 1943 von der Gestapo verhaftet, gefoltert und ermordet worden war. Er hatte sich geweigert, Nancy zu verraten. Über den Verlust ihrer großen Liebe soll sie nie hinweggekommen sein.
Nach dem Krieg erhielt Nancy etliche militärische Auszeichnungen. Sie wurde die höchstdekorierte weibliche Militärangehörige der Alliierten. 1985 veröffentlichte sie ihre Autobiografie. Nachdem sie einige Jahre in Australien verbracht hatte, zog sie zurück nach England. Nancy Wake starb 2011 im Alter von 98 Jahren in London.
Der Film “Die Liebe der Charlotte Gray” (Trailer) basiert auf Nancys Lebensgeschichte.
Bis bald!
Leo
Die wichtigsten für diesen Text genutzten Quellen:
1. Fünf Millionen für den Kopf der Weißen Maus, Frankfurter Allgemeine Zeitung
2. Nancy Wake, The Economist
3. The white mouse who roared, The Sydney Morning Herald
Zeitsprung, #19