Der Ägypter Mohamed Helmy kam 1922 nach Berlin, um Medizin zu studieren. Im Dritten Reich half er mehreren Juden dabei, sich in Berlin zu verstecken. Die junge Anna Boros tarnte er als Muslimin und stellte sie als seine Assistentin ein. Für seinen mutigen Einsatz wurde er 2013 als “Gerechter unter den Völkern” geehrt - als erster Araber überhaupt.
Mohamed Helmy wurde am 25. Juli 1901 geboren. Er stammte aus einer wohlhabenden ägyptischen Familie und wuchs in Kairo auf. 1922 zog er nach Berlin. Dort begann Mod, wie er sich nannte, Medizin zu studieren. 1929 legte er das medizinische Staatsexamen ab.
Anschließend arbeitete er am Robert Koch-Krankenhaus in Moabit. Ein Großteil der dort tätigen Ärzte war jüdisch. Nach der sogenannten Machtergreifung durch die Nazis 1933 mussten sie das Krankenhaus verlassen. Sie wurden durch linientreue Ärzte ersetzt. Weil er Araber war, durfte Helmy zunächst bleiben.
Die zu dieser Zeit in Deutschland lebenden Araber wurden nicht direkt verfolgt. Vielmehr sahen die Nazis in späteren Jahren in der muslimischen Welt einen potenziellen Verbündeten gegen angeblich gemeinsame Feinde, insbesondere die Alliierten und die Juden.
Aufgrund seiner Hautfarbe wurde Helmy im Alltag am Krankenhaus dennoch diskriminiert. Zudem versuchten die neueingesetzten Ärzte, Helmys Ausschluss aus dem Krankenhaus zu erwirken.
1937 schloss Helmy seine Facharztausbildung ab und wurde promoviert. Sein auslaufender Arbeitsvertrag am Krankenhaus wurde nicht verlängert. Notgedrungen eröffnete er eine geheime Praxis in seiner Wohnung.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Ärzten behandelte er weiterhin jüdische Patienten. So lernte er die jüdische Unternehmerin Cecilie Rudnik kennen, mit deren Familie er sich anfreundete.
Im Oktober 1939, kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, wurde Helmy festgenommen. Aufgrund des kriegsbedingten Ärztemangels kam er im Mai 1940 wieder frei. Er erhielt eine eigene Praxis und praktizierte offiziell als Arzt. Seinen Zugang zu Medikamenten nutzte er, um Verfolgten zu helfen.
1942 bat Cecilie Rudnik Helmy um Rat: Sie hatte einen Brief von der Gestapo erhalten. Darin wurde sie aufgefordert, sich zur Deportation zu melden. Helmy sicherte ihr seine Hilfe zu.
Er stellte einen Kontakt zu seiner Patientin Frieda Szturmann her, der er vertraute. Wenig später konnte Cecilie Rudnik in Szturmanns Wohnung in Staaken bei Spandau untertauchen.
Kurz darauf bat auch Anna Boros, die 17-jährige Enkelin von Cecilie Rudnik, Helmy um Hilfe. Sie hatte ebenfalls einen Brief von der Gestapo erhalten. Um auch ihr zu helfen, dachte er sich einen riskanten Plan aus:
Er stellte sie als Assistentin in seiner Praxis ein. Zudem besorgte er ihr einen gefälschten Ausweis mit einer neuen Identität: Aus Anna wurde Nadja, Helmys arabische Nichte. Sie begann, ein Kopftuch zu tragen und kam in einer Laube in Berlin Buch unter.
Um Anna noch besser zu schützen, versuchte Helmy außerdem, sie mit einem Ägypter zu verheiraten. Dadurch würde sie einen ägyptischen Pass erhalten und aus Deutschland ausreisen können. Der Plan scheiterte, denn die NS-Behörden erkannten die Ehe nicht an.
Das Leben im Berliner Untergrund während der NS-Zeit war hochriskant. Eine Enttarnung hätte nicht nur zur sofortigen Deportation der Verfolgten, sondern auch ihrer Helfer geführt.
Anfang 1945 waren Anna und Helmy besonders gefährdet: Annas Mutter war verhaftet worden und hatte das Versteck ihrer Tochter verraten.
Mod Helmy handelte geistesgegenwärtig: Er ließ Anna einen an ihn adressierten Brief schreiben. Darin teilte sie ihm mit, dass sie ihn jahrelang belogen hatte, sie in Wahrheit eine Jüdin sei und dass sie nun nach Dessau geflohen sei.
Den Brief zeigte er der Gestapo, das Ablenkungsmanöver funktionierte: Man suchte außerhalb von Berlin nach Anna, während sie in den letzten Wochen des Krieges bei wechselnden Helfern unterkam.
Nach dem Krieg wanderte Anna nach New York aus. Dort gründete sie eine Familie. Anna und Mod blieben enge Freunde. Sie starb 1986.
Mohamed Helmy blieb auch nach dem Krieg in Berlin. Er heiratete seine Verlobte, was ihm die Nazis zuvor verboten hatten. Am 10. Januar 1982 starb er im Alter von 81 Jahren.
2013 wurde er posthum als erster Araber in Yad Vashem als “Gerechter unter den Völkern” geehrt. Auch Frieda Szturmann, die Annas Großmutter versteckt hatte, wurde ausgezeichnet.
Dieses Buch handelt von der Geschichte von Mohamed Helmy und Anna Boros. In dieser Dokumentation über das Leben im Untergrund im Berlin der NS-Zeit kommen verschiedene Zeitzeugen zu Wort.
Bis bald!
Leo
Die wichtigsten für diesen Text genutzten Quellen:
1. Mohamed und Anna, Bundeszentrale für politische Bildung
2. Ein Muslim als Judenretter, Deutschlandfunk Kultur
3. Durch einen Schleier vor dem Holocaust gerettet, Deutschlandfunk Kultur
Zeitsprung, #30
Wieder eine sehr berührende Geschichte über Zivilcourage und Menschlichkeit. Danke Leo
Eine herzerweichende Geschichte und Beispiel für Zivilcourage