Mildred Harnack: Die amerikanische Widerstandskämpferin
Die US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin Mildred Harnack baute mit ihrem deutschen Ehemann, Arvid Harnack, eine Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime auf. Die Mitglieder verbreiteten Flugblätter und halfen Verfolgten. Für ihren Einsatz bezahlte Mildred mit ihrem Leben.
Mildred Harnack wurde 1902 als Mildred Fish in Milwaukee, Wisconsin geboren. Sie studierte Literaturwissenschaften. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie als Dozentin an der Universität Wisconsin-Madison. Während dieser Zeit lernte sie den Deutschen, Arvid Harnack, kennen, der an derselben Universität studierte. Die beiden wurden ein Paar und heirateten 1926. Drei Jahre später zogen Mildred und Arvid nach Berlin.
1930 begann Mildred, Vorlesungen zu amerikanischer Literatur an der Universität Berlin zu halten. Parallel promovierte sie. Sie war politisch interessiert und beobachtete mit wachsender Sorge den Aufstieg Hitlers und der NSDAP. Auch ihre Vorlesungen wurden zunehmend politischer - zum Missfallen der Universitätsleitung, die ihr 1932 den Lehrauftrag entzog.
Anschließend unterrichtete sie am Berliner Abendgymnasium für Erwachsene. Auch dort regte sie in ihren Kursen politische Diskussionen an und ermunterte die Teilnehmer, sich kritisch mit der politischen Situation auseinanderzusetzen. Um die Diskussionen zu vertiefen, begann Mildred gemeinsam mit ihrem Mann, regelmäßige Treffen in ihrer Wohnung zu organisieren. Bereits 1932, und damit noch vor der Machtergreifung Hitlers, war den Teilnehmern des “Gesprächskreises” klar, dass ihre Treffen geheim bleiben mussten: Es war der Beginn ihres politischen Widerstands.
In der Folge fanden die Treffen immer regelmäßiger statt. Der Teilnehmerkreis vergrößerte sich und Mildred warb immer neue Mitglieder an. Schockiert vom schnellen Aufstieg Hitlers diskutierte die Gruppe über eine Zeit nach der Herrschaft der Nationalsozialisten und alternative politische Systeme.
Um noch mehr Menschen auf die Gefahr, die von den Nazis ausging, aufmerksam zu machen, begann der Kreis ab 1934, Flugblätter zu verbreiten. Die dafür notwendigen Materialen aufzutreiben, ohne aufzufallen, gestaltete sich immer schwieriger in einem Staat, der zunehmend alle Bereiche des Lebens überwachte.
Die fertigen Flugblätter legten sie in Telefonzellen und Bahnhöfen ab, oder verschickten sie an fremde Journalisten, Politiker und Professoren, deren Adressen sie im Telefonbuch fanden.
Zudem fälschten sie Lebensmittelkarten, Pässe und Ausreisepapiere, um jüdischen Mitbürgern bei der Emigration zu helfen. Dabei halfen auch Mildreds enge Kontakte zur US-Botschaft in Berlin: Martha Dodd, die Tochter des Botschafters William Dodd, war eine Freundin von Mildred.
Auch Arvid stand im Austausch mit der amerikanischen Botschaft. Durch seine Arbeit im Reichswirtschaftsministerium hatte er Zugang zu geheimen Dokumenten, die belegten, dass sich das NS-Regime auf einen Krieg vorbereitete. Die Informationen gab er an die Botschaft weiter. Er hatte zudem Kontakt zum sowjetischen Nachrichtendienst.
Zeitgleich zum von Mildred und Arvid initiierten Kreis gab es weitere Berliner Gruppen, die Widerstand leisteten. Dazu zählte auch der Kreis um Harro Schulze-Boysen, mit dem sich der Harnack-Kreis 1940 zusammenschloss. Später wurden die Kreise von der Gestapo als “Rote Kapelle” zusammengefasst. Um ein von erfahrenen Agenten organisiertes Widerstandsnetzwerk, wie es das NS-Regime vermutete, handelte es sich nicht.
Im Juli 1942 entschlüsselten Kryptologen der “Abwehr”, des militärischen Geheimdiensts, einen Funkspruch. Er enthielt die Namen und Adressen von Mildred, Arvid und weiteren Mitgliedern des Widerstands.
Als hätte Mildred etwas geahnt, schrieb sie wenig später in einem Brief an ihre Familie:
“Ich hoffe, wir bleiben alle möglichst gesund, damit wir einander glücklich wieder sehen. Obwohl wir voneinander getrennt sind, wollen wir nicht besorgt oder ängstlich sein.”
Ende August 1942 flohen Mildred und Arvid in das besetzte Litauen, um von dort weiter nach Schweden zu reisen. Noch in Litauen wurden sie von der Gestapo festgenommen.
Sie wurden gefoltert. Mildred wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Arvid und nahezu alle anderen Angeklagten wurden zum Tode verurteilt. Nach der Urteilsverkündung setzte sich Hitler persönlich dafür ein, dass auch Mildreds Urteil in die Todesstrafe umgewandelt wurde. Mildred Harnack wurde am 16. Februar 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Sie gilt als die einzige US-amerikanische Zivilperson, die wegen ihres Widerstands gegen das NS-Regime hingerichtet wurde.
Mildreds Urgroßnichte Rebecca Donner hat ein Buch über Mildreds Leben geschrieben, das sie im “Frauen von damals”-Podcast bespricht. Auch diese englischsprachige Dokumentation befasst sich mit ihrer Biografie.
Bis bald!
Leo
Die wichtigsten für diesen Text genutzten Quellen:
1. Mildred - Die Geschichte der Mildred Harnack und ihres leidenschaftlichen Widerstands gegen Hitler, Rebecca Donner
2. “Weihnachten müsst Ihr richtig feiern”, Die Zeit
3. Mildred Harnack und die Rote Kapelle, Gedenkstätte Deutscher Widerstand