Maurice Bavaud: Der Schweizer Hitler-Attentäter
Wohl kaum ein Datum ist in der deutschen Geschichte mit so vielen historischen Ereignissen verbunden wie der daher auch häufig als „Schicksalstag“ bezeichnete 9. November: die Revolution 1848/49, die Novemberrevolution 1918, der Hitlerputsch 1923, die Reichspogromnacht 1938 und der Fall der Berliner Mauer 1989.
Ein weiteres Ereignis, das an einem 9. November passierte und, sofern es nach Plan verlaufen wäre, die deutsche Geschichte des 20. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst hätte, ist weniger bekannt: Wenige Stunden vor der Reichspogromnacht am 9. November 1938 versuchte der 22-jährige Schweizer, Maurice Bavaud, Adolf Hitler zu töten.
Maurice Bavaud wurde 1916 in Neuchâtel, im französischsprachigen Teil der Schweiz, als ältestes von acht Kindern in eine streng katholische Familie geboren. 1935 begann er ein Theologiestudium in Frankreich. Aus der Ferne beobachtete er währenddessen die politischen Entwicklungen in Deutschland und fasste letztendlich den Entschluss, Hitler umbringen zu wollen. 1938 brach er sein Studium ab und kehrte zu seiner Familie in die Schweiz zurück. Dort blieb er jedoch nur kurz, besorgte sich Geld und eine Pistole und fuhr anschließend weiter nach Deutschland.
Auf der Suche nach einer geeigneten Gelegenheit, um seinen Plan in die Tat umzusetzen, hielt er sich abwechselnd in München und Berchtesgaden auf. Schließlich erfuhr er vom geplanten Gedenkmarsch der Nationalsozialisten zur Feldherrnhalle in München am 9. November 1938 anlässlich des 15 Jahre zuvor gescheiterten Hitlerputsches.
Am Wegrand des Marschs wartend, so Bavauds Plan, würde er seine Pistole bei Hitlers Vorbeilaufen auf ihn richten und abdrücken. Um sich einen Platz auf der Tribüne an einer besonders engen Stelle entlang der Marschstrecke zu verschaffen, gab er sich als begeisterter Nationalsozialist aus. Weil Hitler jedoch beim Vorbeilaufen durch ein Spalier von SA-Männern geschützt und Bavaud zudem die Sicht durch Fahnen und zum Hitler-Gruß emporgestreckte Arme versperrt wurde, scheiterte das Vorhaben.
Entschlossen, seinen Plan dennoch umzusetzen, versuchte er kurz darauf mithilfe von gefälschten Empfehlungsschreiben persönlich bei Hitler vorgelassen zu werden. Doch auch dieses Vorhaben misslang und so setzte er sich am 12. November 1938 unverrichteter Dinge in einen Zug nach Paris. Weil ihm das Geld während seines Monats in Deutschland ausgegangen war, fuhr er ohne gültige Fahrkarte.
Bei einer Fahrscheinkontrolle in Augsburg wurde Bavaud festgenommen und als Ausländer der Gestapo übergeben. Neben der Waffe fand man auch belastende Dokumente bei ihm, die einen geplanten Anschlag auf Hitler nahelegten. Infolgedessen wurde er mehrere Tage und Nächte von der Gestapo verhört und anschließend unter strenger Geheimhaltung vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Als Motiv soll der geständige Bavaud vor Gericht zu Protokoll gegeben haben, dass er in Hitler eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Schweiz und die gesamte Menschheit gesehen habe. Er wurde zum Tode verurteilt.
Von der Schweizer Diplomatie wurde Bavaud während seiner Haft weitestgehend im Stich gelassen. Auch ein von seinem Vater angeregter Gefangenenaustausch wurde von den Schweizer Behörden abgelehnt. Am 14. Mai 1941 wurde Maurice Bavaud im Gefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Später geriet der Fall Bavaud in Vergessenheit. 1956 wurde das Urteil gegen ihn aufgehoben, doch erst ab 1989 wurde durch den Schweizer Bundesrat von offizieller Seite eingeräumt, dass man sich zwischen 1938 und 1941 nicht genug für den Theologie-Studenten eingesetzt hatte.
Der Dokumentarfilm “Es ist kalt in Brandenburg (Hitler töten)” handelt vom Leben Bavauds. Heute erinnert ein Denkmal an der Universität Neuchâtel an Maurice Bavaud.
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Leo
Für diesen Text genutzte Quellen:
1. “Maurice Bavaud wollte Hitler töten. Die Nazis richteten den 22-jährigen Schweizer hin – und statt ihn zu würdigen, diffamierte man ihn später”, NZZ
2. “Im Gedenken an Maurice Bavaud”, Schweizerisches Bundesarchiv
3. “Maurice Bavaud”, Gedenkstätte Plötzensee