Der Student Herbert Belter war der Begründer einer Widerstandsgruppe in der frühen DDR an der Leipziger Universität. Mit weiteren demokratisch gesinnten Mitstreitern verteilte er Flugblätter, um gegen das SED-Regime zu protestieren. Er wurde 1951 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Herbert Belter wurde am 21. Dezember 1929 in Greifswald geboren. Während der NS-Zeit lebte er mit seinen Eltern in Rostock. Dort besuchte er die Schule, die er 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ohne Schulabschluss verlassen musste.
Nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur hoffte die Familie und insbesondere der 15-jährige Herbert auf ein freieres Leben.
Er absolvierte eine Ausbildung als kaufmännischer Angestellter. Später holte er das Abitur nach. Im Oktober 1949 begann Herbert, Volkswirtschaftslehre an der Leipziger Universität zu studieren.
Zeitgleich nahm die politische Einflussnahme durch die SED an den Universitäten in der sowjetischen Besatzungszone stetig zu: In Leipzig wurde der zuvor noch frei gewählte Studentenrat 1948 in die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die kommunistische Jugendorganisation, eingegliedert. Fortan wurde ein erheblicher Druck auf die Studierenden ausgeübt, in die FDJ einzutreten.
Herbert Belter stand diesen Entwicklungen kritisch gegenüber. Damit war er nicht allein: Er lernte weitere, demokratisch gesinnte Studenten kennen, darunter Siegfried Jenkner, Helmut du Mênil und Werner Gumpel.
Inspiriert durch die Radio-Sendung “Studenten kommen zu Wort” nahm die Freundesgruppe im Mai 1950 Kontakt zum RIAS, dem Rundfunk im amerikanischen Sektor, auf. Um auf die Entwicklungen in der DDR aufmerksam zu machen, berichteten die Studenten von den Zuständen an der Leipziger Universität.
In den Folgemonaten erhielten Belter und du Mênil mehrere Pakete vom RIAS mit verbotener Literatur und Flugblättern. Sie erstellten zudem eigene Flugblätter, um gegen die bevorstehenden, manipulierten Volkskammerwahlen zu protestierten.
Gemeinsam mit weiteren Studenten verteilten sie die Flugblätter in Leipzig. Im Oktober 1950 wurden Belter und du Mênil von der Polizei festgenommen. Im Vernehmungsprotokoll wurde festgehalten:
„Am Abend des 4. Oktober begaben sich mein Freund Helmut du Mênil und ich auf die Straße und verklebten 10 rote Flugblätter an die Litfaßsäulen in der Nähe des Bahnhofs, des Nordplatzes und der Rosa-Luxemburg-Straße. Außerdem warfen wir von den kleinen Ergänzungszetteln etwa 100 Stück auf die Straße. Dann begaben wir uns auf den Weg nach Hause, wo wir verhaftet wurden.“
Du Mênil konnte sich ausweisen und durfte gehen. Belter hatte seinen Personalausweis nicht dabei. Stattdessen fand man westdeutsche D-Mark und den Brief eines Freundes aus dem Westen bei ihm.
Bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung wurde eine Kiste mit “zahlreichem Hetzmaterial antidemokratischen Inhalts” gefunden - Broschüren und Bücher mit im Osten verbotenen Inhalten.
Außerdem fand die Polizei eine Namensliste. In den Folgetagen wurden die restlichen Studenten - später zusammengefasst als “Belter-Gruppe” - festgenommen. Nur Helmut du Mênil gelang es, in den Westen zu fliehen.
Im Januar 1951 wurde die Gruppe in Dresden vor einem sowjetischen Militärtribunal wegen “antisowjetischer Tätigkeit” und “Spionage” angeklagt. Der “geschlossene Prozess” wurde geheimgehalten. Die Familien der Angeklagten wussten nichts über den Verbleib ihrer Angehörigen.
Belter sagte aus:
„Ich habe mich illegal betätigt, weil ich unzufrieden war mit der Situation an der Leipziger Universität, wir hatten keine Gewissensfreiheit, keine Redefreiheit und keine Pressefreiheit.“
Nach zwei Tagen wurden die drakonischen Urteile verkündet: Als Rädelsführer wurde Herbert Belter zum Tode verurteilt. Die anderen neun Studenten erhielten Freiheitsstrafen zwischen zehn und 25 Jahren, die sie in sowjetischen Arbeitslagern zu verbüßen hatten.
Auch nach den Urteilsverkündungen wurden die Familien nicht informiert. Jahrelang blieben dutzende Anfragen an die Polizei und die Staatssicherheit unbeantwortet.
Herbert Belter wurde am 28. April 1951 im Alter von 21 Jahren in Moskau hingerichtet. Erst nach der Wende konnte sein Schicksal vollständig rekonstruiert werden.
Die anderen Studenten wurden nach mehreren Jahren aus der Haft entlassen. Die meisten siedelten später in die Bundesrepublik über.
In diesem Video erzählt der überlebende Siegfried Jenkner von damals. Im Buch “Der kurze Sommer der Freiheit” werden die Mitglieder und die Aktivitäten der “Belter-Gruppe” ausführlich beschrieben.
Bis bald!
Leo
Die wichtigsten für diesen Text genutzten Quellen:
1. Der kurze Sommer der Freiheit, Herder-Verlag
2. Zur Erinnerung an Herbert Belter, Universitätsarchiv Leipzig
3. Ein Umschlag voller "Hetzbuchstaben", Stasi-Unterlagen-Archiv
Zeitsprung, #32
Danke für das Erinnern, Leo.
Wieder einmal eine traurige Geschichte von mutigen Menschen!