Heinz Drossel studierte Jura, als der Zweite Weltkrieg begann. Weil er sich weigerte, einer NS-Organisation beizutreten, wurde er in die Wehrmacht einberufen. Er verbrachte fünf Jahre an der Front. Durch sein couragiertes Handeln an der Front und in der Heimat rettete er mehreren Menschen das Leben.
Berlin, Oktober 1942: Bei einem Spaziergang kommt Heinz Drossel an der Jungfernbrücke vorbei. Er sieht eine verzweifelte junge Frau, die sich von der Brücke stürzen will. Drossel spricht mit ihr und schafft es, die Jüdin von ihrem Plan abzubringen. Er gibt ihr Geld, damit sie sich ein Versteck suchen kann.
Beide überleben den Zweiten Weltkrieg. Jahre später begegnen sie sich zufällig erneut — und heiraten.
Heinz Drossel wurde am 21. September 1916 in Berlin geboren. Er war 16 Jahre alt, als Hitler im Januar 1933 Reichskanzler wurde. Heinz weigerte sich, in die Hitlerjugend einzutreten. Wie seine Eltern lehnte er die Nationalsozialisten und ihre Ideologie ab.
Er traf sich häufig mit gleichgesinnten Freunden und Bekannten. Gemeinsam diskutierten sie über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.
Nach dem Abitur begann Heinz, Jura zu studieren. Im November 1939 legte er das erste Staatsexamen ab. Im Anschluss plante er, sein Referendariat zu beginnen.
Da er sich jedoch weiterhin weigerte, einer NS-Organisation beizutreten, wurde ihm die Zulassung untersagt. Stattdessen erhielt er wenige Tage später den Einberufungsbefehl.
Während des Zweiten Weltkriegs nahm Drossel zunächst am Westfeldzug teil. Ab 1941 kämpfte er an der Ostfront. Dort wurde er Zeuge von Erschießungen von russischen Juden und Zivilisten. Die Kriegsverbrechen festigten seine Ablehnung gegen das NS-Regime.
Als seine Einheit einen Politischen Kommissar gefangen nahm, verhalf Heinz Drossel diesem – entgegen des völkerrechtswidrigen “Kommissarbefehls”, der besagte, dass russische Offiziere zu erschießen seien – zur Flucht.
Im Oktober 1942 erhielt Drossel Fronturlaub. Während des Besuchs bei seinen Eltern in Berlin kam es zu der Begegnung auf der Jungfernbrücke. Die jüdische Frau, Marianne Hirschfeld, sah keinen anderen Ausweg als sich von der Brücke zu stürzen, nachdem sie ihren Sohn hatte abgeben müssen und ihre Deportation kurz bevorstand. Drossels Hilfe rettete ihr das Leben.
Insgesamt war Heinz Drossel mehr als fünf Jahre im Kriegseinsatz. Er wurde viermal verwundet.
Anfang 1945 besuchte Drossel seine Eltern, die inzwischen in Brandenburg lebten, erneut. Eine jüdische Familie, die sich unter falschem Namen in der Nachbarschaft versteckte, vertraute sich Heinz an: Ein Nachbar hatte sie verraten. Jede Minute rechneten sie damit, verhaftet zu werden.
Ohne zu zögern, stellten Drossel und seine Eltern ihnen ihre leerstehende Wohnung in Berlin zur Verfügung. Dort versteckte sich die vierköpfige Familie bis zum Kriegsende.
Wenige Tage vor der deutschen Kapitulation widersetzte sich Drossel dem Befehl eines SS-Offiziers, seine Einheit in ein aussichtsloses Gefecht zu führen. Er wurde vor ein Standgericht gestellt und zum Tode verurteilt.
Doch zur Urteilsvollstreckung kam es nicht mehr: Die SS-Männer waren vor der herannahenden Roten Armee geflohen.
Drossel kam in russische Kriegsgefangenschaft. Im August 1945 wurde er entlassen und kehrte nach Berlin zurück.
Zufällig traf er dort erneut auf Marianne Hirschfeld. Heinz und Marianne heirateten im Mai 1946 und bekamen eine gemeinsame Tochter, Ruth.
Nach dem Krieg beendete Heinz Drossel seine juristische Ausbildung und wurde Richter.
Er wurde für seine Zivilcourage mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und in Yad Vashem gemeinsam mit seinen Eltern als “Gerechter unter den Völkern” geehrt.
Den Mut zu seinem Handeln führte er auf seinen Vater und einen Leitsatz zurück, den dieser ihm in seiner Jugend mit auf den Weg gegeben hatte:
“Bleib immer ein Mensch, mein Junge, und anständig auch in schweren Zeiten und selbst dann, wenn es Opfer von Dir fordern sollte.”
Heinz Drossel starb am 28. April 2008 im Alter von 91 Jahren.
In diesem Video erzählt Heinz Drossel 2004 bei einer Preisverleihung an der University of Michigan von seinem Leben. 1988 veröffentlichte Heinz Drossel seine Biografie “Die Zeit der Füchse”. 2013 erschien ein weiteres Buch über sein Leben.
Bis bald!
Leo
Die wichtigsten für diesen Text genutzten Quellen:
1. Heinz Drossel, 1916 – 2008, Retter in Uniform und Stiller Held, Uli Fischer-Weissberger
2. Oral history interview with Heinz Drossel, U.S. Holocaust Memorial Museum
3. Ein Wehrmachtssoldat im Widerstand, Deutschlandfunk Kultur
Dies ist die 46. Ausgabe von Zeitsprung.
So gut von solch mutigen Menschen zu hören, danke Leo!
Ein Held, einfach ein Held.