Hannie Schaft: Das Mädchen mit den roten Haaren
Im Mai 1940 überfielen deutsche Truppen die bis dahin neutralen Niederlande. Nach wenigen Tagen erfolgte die Kapitulation und kurz darauf begann eine fast fünfjährige Zeit der Besetzung durch Nazi-Deutschland, die, wie in anderen besetzten Ländern auch, Leid und Tod für hunderttausende von Menschen bedeutete. Während dieser Zeit bildete sich in den Niederlanden eine Widerstandsbewegung, die sich gegen die Besatzer und die Unterdrückung zu wehren versuchte. Diese Bewegung war in unterschiedlichen Gruppen organisiert. Eine dieser Gruppen war “Raad van Verzet”, zu deren Mitgliedern ab 1943 auch Hannie Schaft gehörte.
Hannie wurde 1920 in Harleem geboren, wuchs in sehr behüteten Verhältnissen auf und studierte später Jura. Im Gegensatz zu ihren jüdischen Mitstudierenden, darunter ihre engen Freundinnen Sonja Frenk und Philine Polak, durfte sie zunächst weiter studieren. 1943 wurde dann jedoch auch Hannie vom Studium ausgeschlossen, als sie sich weigerte – wie im Übrigen rund 80% aller niederländischen Studierenden – eine Loyalitätsbekundung zu den deutschen Besatzern zu unterschreiben.
Aus der Verzweiflung der sich immer weiter verschlechternden Lebensumstände in den besetzten Niederlanden entschloss Hannie sich dazu, zu handeln: Sie versteckte ihre Studienfreundinnen, Sonja und Philine, im Haus ihrer Eltern und intensivierte ihren bereits bestehenden Kontakt zum Widerstand, insbesondere zur Raad van Verzet-Gruppe, die mit der niederländischen kommunistischen Partei verbunden war.
Gemeinsam mit den Schwestern Truus und Freddie Oversteegen begann sie kurz darauf, Waffen und illegale Zeitungen zu transportieren und zu verteilen, sowie Sabotageakte auszuführen. Die fälschliche Annahme der Deutschen, dass Frauen zu solchen Aktionen nicht in der Lage seien, konnten sie dabei zu ihrem Vorteil nutzen, weil sie beispielsweise wesentlich weniger streng kontrolliert wurden als Männer.
Wenig später griffen die drei Frauen auch selber zu den Waffen und begannen, einzeln und zusammen, Attentate auf Nazis und Kollaborateure zu verüben, bei denen sie ihre Ziele häufig auf einem Fahrrad sitzend im Vorbeifahren erschossen. Nachdem Hannies rote Haare bei der Flucht nach einem der Anschläge gesehen wurden, wurde sie als „das Mädchen mit den roten Haaren“ bekannt. Heute sind sechs erfolgreiche Anschläge auf Hannie Schaft zurückzuführen, die in den Niederlanden zur von den Nazis meistgesuchten Person wurde.
Im März 1945, und damit nur Wochen vor der Befreiung der Niederlande durch die Alliierten, wurden bei Hannie während einer Personenkontrolle mehrere Exemplare des Untergrundblatts “De Waarheid“ sowie eine Pistole gefunden, woraufhin sie festgenommen wurde. In der Haft wurde sie gefoltert, um an Informationen zu ihrer Identität und zum Widerstandsnetzwerk zu kommen, aber Hannie schwieg. Als das gesuchte “Mädchen mit den roten Haaren” wurde sie schließlich dennoch identifiziert, als ihre roten Haare unter den schwarz gefärbten Haaren hervorwuchsen.
Am 17. April 1945 wurde Hannie Schaft entgegen zu diesem Zeitpunkt bereits bestehender Vereinbarungen zum Umgang mit Gefangenen zwischen den Deutschen und den Alliierten in den Sanddünen von Bloemendaal hingerichtet.
Posthum wurde sie mehrfach für ihre Verdienste ausgezeichnet. Aufgrund ihrer vermeintlichen Nähe zum Kommunismus wurde jedoch jahrzehntelang auch kontrovers auf ihre und die Geschichte des gesamten kommunistischen Widerstands zurückgeblickt.
Wer mehr über die Geschichte von Hannie Schaft erfahren will, kann sich z.B. die „Dan Snow’s History Hit“ Podcast-Folge mit der Buchautorin Buzzy Jackson anhören, die einen historischen Roman („The Girl with the Red Hair“) über Hannies Geschichte geschrieben hat.
Bis bald!
Leo
Für diesen Text genutzte Quellen:
1. ”Nazi’s Most Wanted: Hannie Schaft”, Dan Snow’s History Hit
2. “Hannie Schaft”, FemBio.org
3. “Hannie Schaft”, Universität Münster