Von der Verurteilung zu 20 Jahren Haft wegen des Sprengens von Tresoren bis zum britischen Doppelagenten im Zweiten Weltkrieg, mit dessen Hilfe tausende Menschenleben gerettet wurden: Das abenteuerliche Leben von Eddie Chapman liefert genügend Stoff für einen Kinofilm.
Eddie Chapman wurde 1914 in Nordengland geboren. Mit 17 Jahren trat er in die britische Armee ein, in der er es jedoch nicht lange aushielt. Infolge unerlaubten Entfernens von der Truppe wurde er unehrenhaft entlassen und nahm daraufhin Gelegenheitsjobs in Bars und Kinos in London an.
Schnell stellte er fest, dass sein Gehalt nicht ausreichte, um seinen extravaganten Lebensstil mit teurem Alkohol, schnellen Autos und vielen Frauen zu finanzieren. Angefangen mit kleineren Betrugsdelikten rutschte Chapman in die Kriminalität. Später schloss er sich verschiedenen Gangs an und spezialisierte sich darauf, Tresore mit sogenannter Sprenggelatine aufzusprengen, was ihm und seinen Komplizen den Spitznamen „Jelly Gang“ einbrachte.
Bis 1939 wurde Chapman wegen mehr als 40 Delikten polizeilich gesucht. Als er schließlich auf die Insel Jersey reiste, wurde er festgenommen und landete im Gefängnis.
Im Juli 1940 wurde die nahe der französischen Küste liegende Insel von der deutschen Wehrmacht besetzt. Um seine Haft auf Jersey zu verkürzen und seine darauffolgende 20-jährige Haftstrafe in England zu umgehen, bot er sich den deutschen Besatzern als Spion an.
Mit Erfolg: Er wurde aus der Haft entlassen und ins besetzte Frankreich geschickt, um Fallschirmspringen, den Umgang mit Funkgeräten und verdecktes Kommunizieren für seine späteren Einsätze zu lernen.
Ausgestattet mit dem Auftrag, eine Flugzeugfabrik in die Luft zu jagen, sprang Chapman am 16. Dezember 1942 mit einem Fallschirm über England aus einem Flugzeug ab. Aufgrund der erfolgreichen Entschlüsselung des geheimen deutschen Nachrichtenverkehrs wusste der britische Geheimdienst bereits von Chapmans neuer Agententätigkeit und seiner bevorstehenden Ankunft in England.
Anstatt ihn nach seiner Landung ausfindig machen zu müssen, meldete sich Chapman jedoch selber bei der Polizei, die ihn an den Secret Service überstellte. Dort bot er an, die Seiten zu wechseln und als Doppelagent für die Briten zu arbeiten. Er wurde mehrere Tage lang verhört, bevor man seine Intention, die Seiten wechseln zu wollen, für glaubwürdig befand. Im Gegenzug forderte Chapman seine Begnadigung und die Annullierung seiner noch nicht abgesessenen Haftstrafe. Der MI5 stimmte dem Deal zu und sein doppeltes Spiel begann.
Um den Deutschen die erfolgreich durchgeführte Mission vorzutäuschen, wurde das Ergebnis der vermeintlichen Explosion in der Flugzeugfabrik mithilfe von Bühnenbildnern aufwendig nachgestellt. Sogar in der Zeitung wurde am nächsten Tag über eine Explosion berichtet.
In der Folge wurde Chapman nach Norwegen geschickt, wo er auf seinen deutschen Führungsoffizier traf. Im Namen Hitlers überreichte dieser ihm das Eiserne Kreuz für Chapmans Verdienste für das Dritte Reich. Er wurde zum einzigen Briten, der diese Auszeichnung jemals erhielt – für Sabotageakte, die nie stattgefunden hatten.
Nach über einem Jahr in Norwegen, wo Chapman Informationen über deutsche Spione für den britischen MI5 sammelte, wurde er 1944 von den Deutschen zurück nach England geschickt. Diesmal hatte er den Auftrag, die Einschläge der V1-Raketen zu übermitteln, die die Deutschen zu Tausenden auf London schossen in einem verzweifelten Versuch, die sich immer deutlicher abzeichnende Niederlage noch abzuwenden.
Chapman übermittelte falsche Koordinaten, sodass die Deutschen die Zieleinstellungen an den Raketen so veränderten, dass viele der Flugbomben auf dem Land anstatt im dicht besiedelten London explodierten. Damit trug er maßgeblich dazu bei, die Opferzahlen in der britischen Zivilbevölkerung zu begrenzen.
Ende 1944 wurde Chapman vom MI5 aufgrund von manipulierten Wetten auf Hunderennen gefeuert. Wegen seiner Verdienste für Großbritannien als Doppelagent wurde seine Haftstrafe, wie zuvor vereinbart, annulliert. Dennoch geriet er auch nach dem Krieg mit dem Gesetz in Konflikt. Später lebte er in Spanien. 1997 starb Eddie Chapman im Alter von 83 Jahren in England.
Seine wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs erschienenen Memoiren sind laut des Historikers und Autors Ben MacIntyre größtenteils frei erfunden. 2007 veröffentlichte MacIntyre auf Basis im Jahre 2001 veröffentlichter MI5-Dokumente das Buch “Zigzag: Die Geschichte des Doppelagenten Eddie Chapman” über Chapmans Leben zwischen Verbrechen und Verrat.
Bis bald!
Leo
Für diesen Text genutzte Quellen:
1. Double Agent: The Eddie Chapman Story, BBC
2. Ben MacIntyre - Agent Zigzag, BBC Radio 4
3. Eddie Chapman, The Economist