Die Waldsiedlung Wandlitz: Der geheime Wohnort der DDR-Elite
Rund 25 Kilometer nördlich vom Berliner Stadtzentrum entfernt befindet sich heute eine im Wald gelegene Rehaklinik. Ursprünglich errichtet wurde das Areal jedoch zu Zeiten der deutsch-deutschen Teilung als sogenannte Waldsiedlung Wandlitz für die DDR-Staatsführung und weitere wichtige SED-Funktionäre.
Um seinen Genossen eine ruhige, naturnahe und vor allem sichere Wohnsituation zu ermöglichen, beschloss das Politbüro der SED 1956, Pläne für eine Wohnsiedlung für seine Führungsriege zu entwerfen. Rund zwei Jahre später, im Mai 1958 begann die Stasi unter größtmöglicher Geheimhaltung mit dem Bau.
So entstand innerhalb von zwei Jahren ein im Wald verstecktes, rund anderthalb Quadratkilometer großes Areal mit insgesamt 23, bis zu 15 Zimmern umfassenden Wohnhäusern für die DDR-Größen und ihre Familien. Die Wohnsiedlung, die in einen inneren und einen äußeren Ring aufgeteilt war, wurde streng bewacht und war für Außenstehende nur mit einer Sondergenehmigung zugänglich. Der äußere Ring war mit einem Maschendrahtzaun und Hinweisschildern versehen, laut denen es sich um ein “Wildforschungsgebiet“ handelte. Der innere Ring, in dem die Wohnhäuser standen, war von einer zwei Meter hohen Betonmauer umgeben. Ab 1968 wurde das Gelände zudem um kilometerlange Bunkeranlagen ergänzt.
Während man sich nach außen gerne als sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat inszenierte, in dem vermeintlich alle Menschen gleichgestellt waren, genossen die Parteigrößen in der Waldsiedlung Privilegien, von denen die einfachen DDR-Bürgerinnen und -Bürger nicht einmal zu träumen gewagt hätten: Neben einem sogenannten Ladenkombinat, in dem Westprodukte zu einem Bruchteil ihres eigentlichen Werts gekauft werden konnten, verfügte das Areal über ein Kino, eine Kegelbahn sowie eine Schwimmhalle mit Sauna. Herzstück der Siedlung war der sogenannte Funktionärsclub (“F-Club“), in dem man zusammen essen, trinken und Zeit verbringen konnte.
In der Miete - je Familie und Haus zwischen 400-800 DDR-Mark - waren zudem diverse Annehmlichkeiten, wie zum Beispiel hauseigenes Dienstpersonal aber auch Um- und Ausbauten der Häuser inbegriffen. Ein Fahrservice eskortierte die Siedlungsbewohner täglich nach Berlin.
Vera Oelschlegel, Zeitzeugin und Ex-Frau des ehemaligen Politbüromitglieds Konrad Naumann, berichtet, dass die allgemeine Stimmung in der Wohnsiedlung von großem Misstrauen untereinander geprägt war, man sich meist von den anderen Funktionären isolierte und die Bewohner das Gefühl hatten, auch selbst abgehört und überwacht zu werden. Konkrete Beweise dafür, dass die Häuser beispielsweise verwanzt waren, gibt es aus heutiger Sicht jedoch nich.
Historikerinnen und Historiker sehen in der Waldsiedlung Wandlitz heute ein zentrales Symbol für eine Staatsführung, die ihre Macht auf Kosten der eigenen Bevölkerung missbrauchte und aus Angst vor der Entlarvung stets darum bemüht war, diesen Missbrauch zu verschleiern.
Nach dem Fall der Mauer mussten die Familien die Siedlung 1989 verlassen. Erst 2017 wurde das Gelände, was in der Zwischenzeit für die Klinik in Teilen stark umgebaut wurde, unter Denkmalschutz gestellt. In der rbb-Dokumentation “Wandlitz - Enklave der Macht” führen verschiedene Zeitzeuginnen und -zeugen, sowie Historikerinnen und Historiker durch die Siedlung und ihre Geschichte.
Bis bald!
Leo
Für diesen Text genutzte Quellen:
1. “Wandlitz - Enklave der Macht”, rbb-Dokumentation
2. “Wo die DDR-Elite wohnte”, Deutschlandfunk Kultur
3. “Waldsiedlung Wandlitz: Willkommen im einst bestgesicherten Ort der DDR”, Naturpark Barnim