Sie war ein sportliches Universaltalent und eine außergewöhnliche Vorreiterin: Marie Marvingt tat sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Bereichen hervor, die damals weitgehend Männern vorbehalten waren. Als Extremsportlerin, Pilotin, Soldatin und Journalistin durchbrach sie traditionelle Geschlechterrollen. Darüber hinaus gilt sie als die Erfinderin der Luftrettung.
August 1911 in St. Étienne, Frankreich: Ein Flugzeug stürzt auf den örtlichen Pétanque-Platz. Am Steuer: Marie Marvingt. Trotz eines Motorausfalls gelingt ihr eine Notlandung.
Staunend beobachten die anwesenden Passanten, wie die unverletzte Frau mit den dunklen Haaren aus der Maschine klettert.
Für die abenteuerlustige Allround-Pionierin ist der Vorfall kein Grund, nicht bald wieder in ein Flugzeug zu steigen.
Marie Marvingt wurde am 20. Februar 1875 in Aurillac in Frankreich geboren. Sie wuchs in Metz auf. Früh gab ihr Vater, ein Postbeamter, seine Leidenschaft für Sport an seine Tochter weiter:
Die junge Marie lernte zu reiten, zu fechten und Ski zu fahren. Sie gewann Wettkämpfe im Sportschießen und bestieg Berge. Sie spielte Tennis, Golf und Hockey.
Auch vor abenteuerlichen Unternehmungen schreckte sie nicht zurück: Mit 15 Jahren unternahm Marie eine 400 Kilometer lange Kanutour. Später durchschwamm sie Paris in der Seine in vier Stunden.
1908 wollte Marie Marvingt die Tour de France mitfahren. Als Frau wurde ihr die Teilnahme jedoch verwehrt. Dennoch fuhr sie die Strecke mit einigem Abstand hinter dem Teilnehmerfeld hinterher und erreichte das Ziel — eine Leistung, die in diesem Jahr nur ein Drittel der männlichen Fahrer vollbrachte.
Von der Académie des Sports wurde sie 1910 als einziger Mensch jemals mit der Goldmedaille “in allen Sportarten” ausgezeichnet. Die Presse nannte Marvingt die “erste Sportdame der Welt” und “Braut der Gefahr”.
Auf der Suche nach neuen Herausforderungen wandte sich Marie Marvingt einem Feld zu, das im frühen 20. Jahrhundert als Synonym für Fortschritt und Abenteuer galt: der Luftfahrt.
1909 absolvierte sie eine Ausbildung zur Ballonführerin. Als erste Frau fuhr sie mit einem Ballon von Frankreich nach England. Im Folgejahr erwarb sie eine Pilotenlizenz.
Sie ließ sich zur Krankenschwester ausbilden und verband ihre neu erworbenen medizinischen Kenntnisse mit ihrer Passion für das Fliegen, indem sie die Idee eines “Luftrettungsdienstes” entwickelte.
Verletzte aus der Luft zu versorgen, sei wesentlich schneller, argumentierte sie. Auch könne man so Patienten an abgelegenen Orten erreichen. Doch die französischen Behörden waren nicht an ihrer Idee interessiert.
Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, nahm Marvingt als Mann verkleidet an Kampfhandlungen teil. Nach mehreren Wochen wurde sie entdeckt und zurückbeordert. Später flog sie als erste Pilotin Kampfeinsätze gegen die Deutschen.
Nach dem Krieg arbeitete Marvingt als Journalistin und Kriegskorrespondentin in Nordafrika. Zudem gründete sie eine Skischule in Marokko und brachte jungen Menschen das Skifahren auf Sanddünen bei.
Ihre Idee einer Luftambulanz gab sie nicht auf. Sie hielt Vorträge, um andere Menschen von ihrer Vision zu überzeugen. Mit Erfolg: 1934 wurde sie beauftragt, einen Luftrettungsdienst in Marokko aufzubauen.
Marie Marvingt wurde die erste zertifizierte Luftkrankenschwester und baute in Frankreich ein Ausbildungsprogramm für Flugsanitäterinnen auf. Basierend auf dieser Arbeit entstand während des Zweiten Weltkriegs das “Flying Ambulance Corps” für die Luftrettung Verwundeter.
Bis in hohe Alter stellte sie sich neuen Herausforderungen: Mit 80 Jahren lernte sie, wie man einen Hubschrauber fliegt. Mit 85 legte sie die 380 Kilometer lange Strecke von Nancy nach Paris mit dem Fahrrad zurück.
Für ihre Leistungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen erhielt Marie Marvingt ingesamt 34 Auszeichnungen und Medaillen.
Sie starb am 14. Dezember 1963 im Alter von 88 Jahren.
In dieser ARTE-Doku werden einige Pionierinnen der Fliegerei vorgestellt, darunter auch Marie Marvingt.
Bis bald!
Euer Leo
Die wichtigsten Quellen:
1. Marie Marvingt, Aviation Ancienne
2. Marie Marvingt, Grande Région
3. Marie Marvingt: Die „Braut der Gefahr“, Welt der Frauen
Dies ist die 85. Ausgabe von Zeitsprung.
Grossartig Leo. Bewundernswert Wie du immer so einzigartige Persönlichkeiten "findest". Super inspirierend .
Hallo Leo,
so eine klasse Geschichte!! 💗 Ganz toll! Vielen, vielen Dank. So eine wahnsinnstolle Frau! Ich bin immer sehr begeistert von den von dir ausgegrabenen Geschichten.
Bis demnachst,. Freue mich schon auf die nächste Story.
Liebe Grüße Lissi Kunow