Der Schriftsteller und Pazifist Armin T. Wegner wurde im Ersten Weltkrieg Augenzeuge des Genozids an den Armeniern. Seine Aufnahmen von den Verbrechen gelten heute als die wichtigsten Beweise des Völkermords.
1933 schrieb er einen Brief an Adolf Hitler, um gegen die einsetzende Judenverfolgung zu protestieren. Er wurde inhaftiert und gefoltert, kam jedoch frei. Lange Zeit geriet sein Einsatz in Vergessenheit.
Im April 1933 geht ein Brief in der Parteizentrale der NSDAP in München ein. Adressiert ist das Schreiben mit der Überschrift “Für Deutschland” an den Reichskanzler Adolf Hitler.
Darin protestiert Armin T. Wegner gegen die einsetzende Judenverfolgung:
“Aus der Qual eines zerrissenen Herzens richte ich diese Worte an Sie […]. Schützen Sie Deutschland, indem Sie die Juden schützen.”
“Herr Reichskanzler, […] es geht um das Schicksal Deutschlands!”
Vorausschauend schreibt er:
“Denn wen muß einmal der Schlag treffen, den man jetzt gegen die Juden führt, wen anders als uns selbst?”
Wegners Protest ist mutig — und hat schwerwiegende Folgen für ihn.
Armin Theophil Wegner wurde am 16. Oktober 1886 bei Wuppertal geboren. Er studierte Jura und wurde 1914 promoviert. Auf langen Reisen verfasste er Reiseberichte und Gedichte, die er veröffentlichte.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich als freiwilliger Krankenpfleger. Er diente an der Ostfront im Osmanischen Reich, das mit dem Deutschen Kaiserreich verbündet war.
Am 24. April 1915 wurden armenische Intellektuelle in Konstantinopel — dem heutigen Istanbul — gezielt verhaftet, deportiert und ermordet. Der Tag markierte den Beginn des Völkermords an den Armeniern, die eine christliche Minderheit im muslimisch geprägten Osmanischen Reich darstellten.
Wegner wurde Zeuge des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts. Unter Lebensgefahr begann er, das Geschehen fotografisch zu dokumentieren:
Auf hunderten Fotos, die er später nach Deutschland schmuggelte, hielt er das armenische Leiden fest. Sie gelten heute als die wichtigsten Beweise des Völkermords, dem zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1916 setzte sich Wegner für die Erinnerung an den Genozid ein: Er hielt Vorträge und präsentierte seine Aufnahmen.
Im Februar 1919 schrieb er einen offenen Brief an den US-Präsidenten Woodrow Wilson, der erstmals im Berliner Tageblatt veröffentlicht wurde. In diesem kurzen Video spricht er über das Erlebte.
Als entschiedener Pazifist war Wegner Mitgründer des Bundes der Kriegsdienstgegner.
Während er in den 1920er Jahren ein erfolgreicher Schriftsteller wurde — sein erfolgreichstes Buch, “Am Kreuzweg der Welten”, verkaufte sich 200.000 Mal — besorgte ihn die aufstrebende nationalsozialistische Bewegung während der Weimarer Republik.
Hitler wurde im Januar 1933 Reichskanzler. Im April rief die NSDAP zum Boykott jüdischer Geschäfte auf, infolgedessen Wegner sein Protestschreiben “Für Deutschland” verfasste.
Der Eingang des Schreibens wurde ihm schriftlich bestätigt. Ob Hitler es zur Kenntnis nahm, ist nicht überliefert. Doch der mutige Protest hatte schwerwiegende Folgen:
Wegner wurde im August 1933 verhaftet. Er wurde von der Gestapo gefoltert und monatelang in den Konzentrationslagern Oranienburg, Börgermoor und Lichtenburg inhaftiert.
Nach seiner Freilassung im Dezember 1933, emigrierte er nach Italien. In Deutschland wurden Wegners Bücher und Texte 1938 verboten.
1947 wurde auf dem ersten deutschen Schriftstellerkongress nach dem Krieg angenommen, dass der scheinbar verschollene Wegner zu den Opfern des Nationalsozialismus gehörte.
Doch Wegner lebte: In Italien arbeitete er als freier Schriftsteller und Dozent für Literatur.
Armin T. Wegner war mehrfach verheiratet und hatte einen Sohn. Er starb am 17. Mai 1978 im Alter von 91 Jahren in Rom.
Erst 1953 wurde sein Brief an Hitler veröffentlicht. 1996 erhielt er posthum in der armenischen Hauptstadt Jerewan ein Ehrenbegräbnis.
2011 wurde Wegners Augenzeugenbericht vom Völkermord an den Armeniern als Buch veröffentlicht.
Bis bald!
Euer Leo
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Die wichtigsten für diesen Text verwendeten Quellen:
1. Armin T. Wegner Biografie, Armin T. Wegner Gesellschaft
2. Armin T. Wegner, Yad Vashem
3. Der Genozid an den Armeniern, BPB
Dies ist die 62. Ausgabe von Zeitsprung.
Vor Kurzem hatte ich die Idee, Ihnen diesen Autor vorzuschlagen und nun kommt dieser Bericht. Ich bin Ihnen für die Veröffentlichung sehr dankbar. Eventuell wäre es gut, gelegentlich auch noch über seine jüdische Frau LOLA LANDAU zu berichten, beide hatten auch eine gemeinsame Tochter. Für Ihre Arbeit auch weiterhin "Alles Gute" - Kathleen
Danke für die Erinnerung an mutige Menschen
dein ZS wird weiter empfohlen wo immer sinnvoll
friedliche Adventzeit
C. E.