Albert Göring: Der NS-Gegner und Bruder des Verbrechers Hermann Göring
Der Name Göring ist durch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts stark belastet: Als Gründer der Gestapo, Reichsluftfahrtminister und späterer Reichsmarschall und Oberbefehlshaber der Luftwaffe war Hermann Göring eine der zentralen Figuren des NS-Regimes zwischen 1933 und 1945. Er trug entscheidend zu den wirtschaftlichen und militärischen Vorbereitungen auf den späteren Zweiten Weltkrieg bei und war maßgeblich an der Verfolgung und Vernichtung großer Teile der jüdischen Bevölkerung Europas beteiligt.
Das Leben seines zwei Jahre jüngeren Bruders Albert, hingegen, nahm einen ganz anderen, weitaus weniger bekannten Verlauf: Nach seinem Maschinenbaustudium zog Albert Göring nach Wien, wo er Anfang der Dreißigerjahre ins wachsende Filmgeschäft einstieg. Er wurde zur rechten Hand von Oskar Pilzer, einem der erfolgreichsten Filmproduzenten Europas.
Aus der Entfernung betrachtete er die politischen Entwicklungen in Deutschland mit Sorge. Im Gegensatz zu seinem Bruder lehnte Albert Göring den Nationalsozialismus entschieden ab. Er verachtete die Aggressivität, mit der das NS-Regime politische Gegner nach der Machtübernahme zu verfolgen begann.
Nach dem sogenannten “Anschluss“ Österreichs an das “Großdeutsche” Reich im März 1938 begann auch in Alberts Wahlheimat die Entrechtung und Verfolgung politischer Gegner und der jüdischen Bevölkerung, mit der er sich solidarisierte. Er nutzte seinen bekannten Namen, um Pässe und Visa für jüdische Freunde und Freundinnen sowie Bekannte und später auch Fremde, die um Hilfe baten, zu besorgen.
Nachdem er seinen jüdischen Vorgesetzten Pilzer aus der Gestapo-Haft befreite und ihm bei der Emigration half, wurde er von der Gestapo zunächst festgenommen und verhört, später jedoch wieder freigelassen. In der Folge verbrachte er einige Monate in Rom, bevor er zum Exportchef bei den tschechischen Škoda-Werken ernannt wurde, wo auch Teile für die deutsche Automobilindustrie hergestellt wurden. In dieser Funktion hatte Albert Göring Kontakt zum tschechischen Widerstand, schützte Teile der Belegschaft vor der Verfolgung und unterstützte sie bei kleineren Sabotageakten.
Zeugenaussagen zufolge fuhr er zudem 1944 mit mehreren Lastern zum KZ Theresienstadt, wo er sich eingesetzt haben soll, um jüdische Inhaftierte für vermeintlich “kriegswichtige” Arbeit in den Škoda-Werken abzuholen. Anschließend ließ er die Inhaftierten einige Kilometer entfernt im Wald frei. Als die Gestapo kurz davor war, Albert Göring erneut festzunehmen, schützte ihn sein Bruder Hermann.
Zu Ende des zweiten Weltkriegs kam Albert in amerikanische Gefangenschaft. Wegen der engen Verwandtschaft mit dem ehemaligen Reichsmarschall hielt man eine Beteiligung Albert Görings an den Gräueltaten des NS-Regimes zunächst für sehr wahrscheinlich. Auch bei den Nürnberger Prozessen wurde er verhört. Erst nachdem etliche Menschen, denen er geholfen hatte, für ihn ausgesagt hatten, glaubte man seinen Schilderungen. In der Folge wurde Albert nach Prag ausgeliefert, wo er wegen möglicher Kriegsverbrechen angeklagt wurde. Nachdem er 1947 freigesprochen wurde, kehrte er zunächst nach Österreich und später nach München zurück.
Als Ingenieur fand Albert nach dem Krieg wegen seines Namens keine Anstellung mehr. Auch gesellschaftlich wurde er bis zu seinem Tod 1966 im Alter von 71 Jahren von vielen gemieden. Unterstützung erfuhr er während dieser Jahre jedoch von denen, die er gerettet hatte.
Heute ist bekannt, dass Albert Göring während der NS-Zeit bis zu 1.000 Menschen das Leben gerettet hat. Seit einigen Jahren liegt in Yad Vashem, der internationalen Gedenkstätte des Holocaust, ein Antrag, ihm den Ehrentitel “Gerechter unter den Völkern” zu verleihen.
In dem Doku-Drama “Der gute Göring” wird das Leben von Albert Göring, sowie sein Verhältnis zu seinem Bruder und zum Nationalsozialismus behandelt. Darin kommen auch seine Tochter und weitere Zeitzeugen zu Wort. Zudem hat William Hastings Burke das Buch “Hermanns Bruder: Wer war Albert Göring?” geschrieben.
Bis bald!
Leo
Für diesen Text genutzte Quellen:
1. “Der gute Göring”, ARD
2. “Der andere Göring – Hermanns Bruder rettete Juden”, Die WELT
3. “The Good Goering”, BBC